Konjunkturell läuft es eher schlecht, die Erträge gehen zurück und der Zugang zu externer Finanzierung wird schwieriger. Die Gefahr droht, dass der deutsche Mittelstand – das Rückgrat unserer Volkswirtschaft – diesen Balanceakt nicht bewältigt und viele der oft familiengeführten Traditionsbetriebe unwiderruflich von der Bühne verdrängt werden. Im Interview äußert sich Hans-Dieter Franke, Geschäftsführender Gesellschafter von MPower Franke, zu den Chancen und Risiken im Jahr 2024.
Die schwache Konjunktur und strukturelle Probleme bereiten dem Mittelstand Sorgen. Wie ist Ihre Prognose für 2024?
Kurz gesagt: Mein Optimismus hält sich in Grenzen. Die deutsche Wirtschaft ist aus dem schwierigen Jahr 2023 ohne Rückenwind gestartet. Die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds trauen unserer Volkswirtschaft in diesem Jahr nur noch ein Miniwachstum von ca. 0,3 % zu. Damit wären wir das Schlusslicht unter den großen Industrieländern. Durch die sinkende Inflation könnten sich der private Konsum und die Reallöhne zwar leicht erholen, aber für eine echte Trendwende reicht das nicht, denn die Unternehmen investieren angesichts der weiterhin hohen Zinsen, schwachen Geschäftsaussichten und geopolitischen Spannungen nur zögerlich. Und solange die Weltwirtschaft schwächelt, lahmt auch das Zugpferd unserer Wirtschaft, der Export.
Wen trifft das besonders?
Automobilzulieferer, Maschinen- und Werkzeugbauer, also Branchen, in denen der Mittelstand stark vertreten ist. Hier ist derzeit vieles unplanbar, auch aufgrund der unklaren politischen Entscheidungen.
Wie sieht es bei den Gewinnen aus?
Die Preise für Energie, Rohstoffe und Materialien sind durch die Multikrisen der vergangenen Jahre enorm gestiegen. Die meisten Unternehmen konnten die höheren Kosten nicht in vollem Umfang an ihre Kunden weitergeben. Das schmälert die Ergebnisse. Auch die Verbraucher kämpfen seit dem ersten Quartal 2023 mit gestiegenen Produkt- und Lebenshaltungskosten. Ihre gesunkene Nachfrage verschärft den Ergebnisdruck bei den Unternehmen. Jedes dieser Themen für sich allein ist heikel, in der Summe können sie zur Überlebensfrage werden.
Ist der Mittelstand für diese Probleme stark und resilient genug?
Davon bin ich überzeugt – vorausgesetzt, die Firmen reagieren auf die Unsicherheiten und vermeiden Verluste, auch wenn die Aufträge zurückgehen. In vielen Gesprächen mit Mittelständlern quer durch alle Branchen höre ich die Devise: Wir müssen die Wirtschaftsflaute des Jahres 2024 überstehen. Dadurch treten die eigentlich dringend erforderlichen Investitionen in die Zukunft zurück.
Was können die Unternehmen konkret tun?
Der deutsche Mittelstand hat in der Vergangenheit Krisen erfolgreich durch Kompetenz, Kreativität und hohe Leistungsbereitschaft überwunden. Konkret bedeutet das auch diesmal, die eigene Finanzkraft zu stärken, die Belegschaft leistungsfähig und Produkte wettbewerbsfähig zu halten sowie eng abgestimmt und vertrauensvoll mit den Finanzierungspartnern zusammenzuarbeiten.
Das heißt, Zukunftsthemen wie digitale oder grüne Transformation treten in den Hintergrund?
Schon in normalen Zeiten ist es anspruchsvoll, neben der operativen Arbeit auch noch das eigene Geschäftsmodell zukunftsfähig weiterzuentwickeln. In der derzeit fragilen, von Multikrisen geprägten Situation haben Mittelständler dafür weder den Kopf frei noch die finanziellen und personellen Ressourcen. Diese benötigen sie momentan an anderer Stelle, etwa um ihre Produktivität zu steigern. Viele Ökonomen erwarten für 2025 wieder ein stärkeres Wirtschaftswachstum. Meine Hoffnung ist, dass sich die Gesamtsituation schon früher entspannt. Dann kann mehr in Innovationen, Digitalisierung, neue Technologien und künstliche Intelligenz investiert werden, damit wir nicht den Anschluss im internationalen Wettbewerb verlieren.
Was ist die richtige Strategie, um die Transformation anzugehen?
Unternehmen brauchen eine visionäre Vorstellung und ein klares Verständnis von ihren zukünftigen Geschäftsmodellen – und zwar für jedes ihrer Marktsegmente bei unterschiedlichen Zukunftsszenarien. Diese Weitsicht zu entwickeln, ist wichtig, denn durch sie entstehen die strategischen Leitplanken der unternehmerischen Transformation. An ihnen müssen sich alle relevanten Geschäftsdimensionen neu ausrichten, damit sie in Zukunft effizient, nachhaltig und anpassungsfähig sind. Für diesen Schritt braucht es Schlüsselkompetenzen, wie digitales Denken, und effektives Informationsmanagement.
Aber auch die Kosten müssen weiter angepasst werden, denn transformatorische Themen werden zukünftig vermehrt intern finanziert werden müssen.
Wenn alle Rahmenbedingungen so unsicher sind wie derzeit …
… lässt sich nur sicher agieren mit der richtigen Werteorientierung. Die Geschäftsführung und die gesamte Belegschaft müssen gemeinsam die Aufgabe verfolgen, einen Mehrwert für ihre Kunden zu erreichen. Nur Unternehmen, die kontinuierlich einen Zusatznutzen generieren und im besten Fall diesen auch noch steigern, sind langfristig erfolgreich am Markt.
Wie schafft man das?
Mit einem guten Team. Das aufzubauen und zu halten ist für den Mittelstand nicht einfach, da er mit Konzernen im Wettbewerb um Arbeitskräfte steht. Doch mittelständische Betriebe bieten durchaus Vorteile, etwa durch ihre flachen Hierarchien, durch die die Mitarbeitenden oft mehr Freiheiten erhalten oder Young Professionals bereits früh Verantwortung übernehmen. Diese Pluspunkte gilt es klar herauszustellen.
Zu guter Letzt: Gibt es aus Ihrer Erfahrung in Unternehmen einen typischen Bereich, der oft nicht im Fokus liegt, obwohl sich mit gezielten Maßnahmen viel erreichen ließe?
Den gibt es in der Tat – nämlich den Vertrieb. Bei unseren mittelständischen Klienten sehen wir zu oft einen veralteten, rückwärtsgewandten Vertriebsansatz, der nicht auf veränderte Marktbedingungen reagiert oder sich sogar gegen Veränderungen stemmt. Da der Kuchen aber kleiner wird, muss um Marktanteile stärker gekämpft werden. Und das funktioniert nur mit einem proaktiven, gut aufgestellten, international agierenden und gesteuerten Vertrieb.